Die Holzscheite knackten und
kleine Funken stiegen auf. Immer wieder formten die Flammen neue Figuren, die
auf den Scheiten tanzten und den Raum mit Wärme erfüllten.
Luzifer wartete. Er hatte um ein Gespräch mit dem Chef gebeten.
Es war nun viele Tausend Jahre her, dass Gott ihn zu sich gerufen hatte.
"Luzifer", hatte
er zu dem Engel gesagt, "ich habe einen Spezialauftrag für dich. Die
Menschen wollen erfahren, was es bedeutet einen freien Willen zu haben. Sie
wollen lernen, was Dualität bedeutet, damit sie begreifen können, das alles
zusammenhängt, alles Eins ist. Dass es ohne das Eine, das Andere nicht geben
würde. Ohne Hell kein Dunkel, ohne Warm kein Kalt, und so weiter. Dieser Spezialauftrag, lieber Luzifer, ist sehr wichtig. Die Entwicklung
der Menschen ist nicht nur für sie, sondern auch für uns von großer Bedeutung.
Traust du dir das zu?"
Der Engel war begeistert und
dankbar gewesen, dass Gott ihm eine so wichtige Aufgabe übertrug.
"Chef, ich gebe mein
Bestes," hatte er geantwortet, ohne zu ahnen, dass dieser Auftrag eine
große Herausforderung werden würde.
Mit ein paar Instruktionen
im Gepäck war er, voller Zuversicht zur Erde gereist. Er würde den Menschen
helfen zu erkennen, was es bedeutete Licht und Liebe zu erfahren und - zu
leben! Denn er war ja Liebe! Das konnte ja nicht so schwer sein, hatte er
vermutet.
"Ohne Dunkel kein
Hell", murmelte er, als der durch die Gassen eines Dorfes ging und sich
umschaute. Die Idee, die ihm kam, fand er grandios und er setze sie sofort um.
Der Himmel verdunkelte sich.
Große, schwarze Wolken zogen auf und es fing heftig an zu regnen. Die Menschen
flüchteten in die kleinen Häuser um sich vor dem Unwetter zu schützen. Luzifer
ließ es drei Stunden regnen und stürmen.
Dann - riss der Himmel auf
und die Sonne strahlte hell und wundervoll am wolkenlosen Firmament.
"Sicher werden die Menschen sich jetzt über die wundervolle Sonne freuen, das Licht sehen und es genießen", mutmaßte der Engel.
Wie erstaunt war er jedoch,
als sich die Menschen nicht über die Sonne und das Licht freuten, sondern sich
über das Unwetter beschwerten und schlechte Laune hatten.
Die Bauern jammerten, dass
jetzt möglicherweise ihre Ernte gefährdet sei. Sie konnten nicht erkennen, dass
genau dieser Regen, in Verbindung mit den Sonnenstrahlen, ein Segen für ihre
Felder war.
"Hmm, das wird
schwieriger als gedacht", murmelte er. "Sie können die Zusammenhänge
nicht wahrnehmen."
Nachdem er einige Zeit auf
der Erde verbrachte habe, war ihm klar:
Es liegt an ihrem Fokus.
Sie beschäftigen sich mehr mit DEN Dingen, die sie NICHT wollen. Sie leben
gedanklich und emotional in der Vergangenheit und hoffen, dass ihnen in der
Zukunft nicht das Gleiche gschieht. Sie beschäftigen sich immer mit dem, was
sie vermeiden wollen.
Sie verstehen nicht, dass
sie ohne Dunkelheit kein Licht wahrnehmen können, ohne Kälte keine Wärme, ohne
Traurigkeit keine Freude.
Ihnen ist nicht bewusst,
dass sie, indem sie sich auf etwas konzentrieren, dieses in ihr Leben ziehen.
Egal, was es ist. Sie bewerten und trennen, können nicht wahrnehmen, dass alles
Eins ist.
Fast niemand kann das
erkennen und lebt im Hier und Jetzt. Mit Außnahme der Kinder. Die kleineren von
ihnen, die noch intensiv mit dem Chef
verbunden sind, spüren es noch.
Viele Tausend Jahre bemühte
sich Luzifer den Menschen Gottes Licht und Liebe zu zeigen, indem er sie in
Situationen begleitete, wo sie den Unterschied wahrnehmen konnten. Er sah die
kleine Flamme der Liebe und des Lichts in ihnen, hatte jedoch den Eindruck,
dass diese nicht größer wurde.
Inzwischen kannten die
Menschen seinen Namen. Viele behaupteten, dass er für alles Negative, Schlechte
und Böse verantwortlich sei. Sie dichteten ihm Hörner, einen Schwanz und Pferdefuß an. Sie sahen ihn nicht als was,
was er war, - einen Engel Gottes und des Lichtes. Für sie war er der Feind allen
Lebens.
Obwohl Luzifer das trauig
stimmte, ließ er in seinen Bemühungen nicht nach. Er hatte so viel Liebe in
sich und wollte diese mit den Menschen teilen. Und - ab und zu hatte er das
Gefühl, ein kleiner Funke würde entfacht.
Ein paar Wenige hatten es
inzwischen verinnerlicht und konnten das Göttliche wieder wahrnehmen. Sie lebten jeden Tag in
Dankbarkeit für alles und jeden, erkannten, dass es nicht Schlechtes gab,
sondern alles einem Plan folgte. Sie wussten inzwischen, dass ihre Gedanken
ihre eigene Realittät erschufen. Sie konnten die Verbindung zu Gott und allem
was ist, wieder spüren.
Aber reichte das? Luzifer
zweifelte. Hatte er versagt? Er wollte Klarheit!
Nun also saß er am Kamin und
wartete auf den Chef.
Als dieser die Türe öffnete
und ihn hineinbat, wurde das Kaminzimmer von einem Licht und einer Liebe
durchflutet, wie sie Luzifer schon lange nicht mehr erfahren hatte.
Gott lächtete ihn liebevoll
an.
"Nun, mein lieber
Luzifer, wie ist es dir auf der Erde ergangen?"
"Tja weißt du, ehrlich
gesagt weiß ich nicht, ob ich meinen Auftrag bisher erfüllen konnte",
antwortete dieser und berichtete ausführlich.
Gott sah ihn einen Moment
nachdenklich an.
Dann antwortete er
liebevoll:
"Für deinen Aufenthalt
auf der Erde war es wichtig, dass du verstehst, was die Menschen bewegt, was
sie fühlen. Deshalb hast auch du die Dualität erfahren, allerdings in
abgeschwächter Form. Deine Zweifel, ob du versagt hast, entstammen dieser
Energie.", schloss er zwinkernd.
Freundschaftlich legte er
seinem Arm um Luzifers Schulter.
"Komm´ mit, ich möchte
dir etwas zeigen", forderte er den Engel auf.
Sie gingen in einen
Nebenraum, in dem ein riesengroßer Monitor die komplette Wand bedeckte. Auf
einer Weltkarte leuchteten viele kleine Punkte. Immer wieder kamen neue hinzu.
Einige von ihnen strahlten plötzlich heller und wurden größer.
"Das, mein Lieber, ist
dein Werk.", erklärte Gott und ließ seine ausgestreckte Hand über die Wand
schweifen. "Jedes Licht ist eine von dir berührte Seele, in der du den
Funken der Liebe und des Einsseins entfacht hast. Und wie du siehst werden es
immer mehr. Inzwischen entfachen sie sich sogar gegenseitig. Du siehst, dein
Bemühen war keinesfalls erfolglos, im Gegenteil. Bald werden alle Lichter
entfacht sein. Sie werden sich nicht mehr getrennt von mir fühlen und nur noch
aus Liebe heraus handeln."
Dankbar umarmte Gott den
Engel. Eine wundervoll, kraftvolle Liebe, die alle Zweifel verblassen ließ,
durchströmte Luzifer.
Er schaute auf den Monitor,
auf dem immer mehr Lichter geboren wurden, und eine tiefe Liebe und Dankbarkeit
für sein Tun durchströmte ihn.
Ó 12/2017
Bild: pixabay.com
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